Wenn wir uns unser Leben kurz vor Augen halten, können wir uns unter anderem auch an Momente erinnern, in denen wir aus einem inneren Gleichgewicht gefallen sind oder uns verzweifelt, ohnmächtig und hilflos gefühlt haben.
Solche Situationen können nicht nur unsere innere Ruhe ins Wanken bringen, sondern haben zur Folge, dass wir uns tiefe Lebensfragen stellen und womöglich den Sinn unseres Lebens hinterfragen.
Wege und Methoden zur geistigen Entwicklung bestärken Interessierte und vor allem Praktizierende darin solche Momente der Unruhe zu überwinden und hinter sich zu lassen und innere Ruhe durch eine Stärkung unserer tiefsten Wesenssubstanz zu erlangen.
Zu Zeiten von Überfällen auf mit Zinnen und Mauern bewehrte Städte war es üblich, dass die Angreifer die Stadt umzingelt und die Wasserversorgung unterbrochen haben, damit die Bewohner bald verzweifeln und die Stadttore öffnen. Es gab aber auch Städte, die ihre Brunnen innerhalb der Stadtmauern hatten und sich nicht zu sorgen brauchten.
Für uns alle sind die „Feinde am Eingangstor“ unsere Unsicherheiten und Sorgen, denen wir im Leben begegnen, während der Brunnen die innere Quelle im Herzen, die andauernd sprudelt, darstellt.
Wir sind im Besitz unserer vollen geistigen Kräfte, wenn wir uns zu unserer Essenz durchgearbeitet haben und uns an unsere innere Kraftquelle willentlich anschliessen können. Somit haben wir einen ruhigen Sinn und können mit Gelassenheit durch die unruhigen Wellen von Gefühlsstürmen manövrieren, die manche Menschen versinken lassen.
Das nennen wir Selbstkompetenz, innere Ruhe, gesundes Selbst-Bewusstsein oder geistige Kraft.
Wer sich an seine innere Kraftquelle anschliessen kann, wird nicht mehr von Erscheinungen der äußeren Welt getrieben oder macht sich abhängig von äußeren Formen. In diesem Stadium sind wir an eine Ebene angeschlossen, die man universelles oder kosmisches oder Über- Bewusstsein nennen kann, aus dem die Welt der Formen und alles Materielle hervorgegangen ist.
Wer sich hier hingearbeitet hat, lebt frei von Phantastereien und illusorischen Vorstellungen, ist sich seines Handelns voll bewusst, ist erwacht und erleuchtet, wodurch die eigenen Triebe und Emotionen gemeistert werden.
Um einen Brunnen auszuheben, muss man tief graben. So verhält es sich auch mit den Wegen zur Erlangung geistiger Kraft. Es gilt viele Bewusstseinsschichten zu durchdringen, um zum innersten Kern zu gelangen. Was wir als „Ich“ bezeichnen und womit wir uns identifizieren besteht aus einer Vielzahl von Schichten, die wir nach und nach besser erkennen lernen.
Es ist vergleichbar mit einer Reise durch vielfältige Regionen. Auf dieser Reise begegnen wir Antworten auf drei grundlegende Lebensfragen, die wir uns mehr oder weniger alle schon gestellte haben. Diese klassischen Fragen lauten: Wer bin ich? Woher stamme ich? Wozu bin ich hier auf der Erde?
Unser Leben wird sich in Abhängigkeit zu den Antworten, die wir auf diese Fragen haben, gestalten. Selbst wenn wir uns entscheiden keine Antworten auf diese Fragen zu finden, haben wir damit eine Entscheidung getroffen, die den weiteren Verlauf unseres Lebens stark bestimmen wird.
Ein ganzheitliches Bewusstsein spricht man denjenigen Menschen zu, die ihre eigenen Antworten zu diesen grundlegenden Fragen gefunden haben.
Das bedeutet, dass geistige Kraft* gewissermassen gleichzusetzen ist mit einem Zustand des vollkommenen Sich-seiner-selbst-Bewusstseins. Der Ausgangspunkt zu diesem Zustand ist unser Herz.
Mehrdad Noorani
* Im Englischen wird „geistige Kraft“ als „spiritual Empowerment“ gebraucht.